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Artikel für den Vorwärts :

Anarchie in Winterthur!

Auch dieses Jahr lädt die Libertäre Aktion wieder zu den Anarchietagen. Heuer vom 12. bis 14. Februar in der Alten Kaserne und im Widder in Winterthur.

"SCHO widär händ linki Aktivischtä i dä Eulachschtadt..." - so klang es jeweils zu Beginn eines Beitrages, den der Lokalsender Tele Top im Jahr 2004 über einen weiteren Vorfall in einer langen Reihe von spektakulären Demonstrationen und (Hochhaus-)Besetzungen in Winterthur ausstrahlte. Diese bewegten Monate sind zwar schon lange vorbei, ebenso wie das Interesse der Medien an den aufmüpfigen Chaoten. Dennoch konnten einige Altlasten aus dieser Zeit noch nicht gesellschaftsgerecht entsorgt werden. So organisiert beispielsweise die Libertäre Aktion Winterthur (LAW) dieses Jahr schon wieder Anarchietage in der Stadt, und das bereits zum sechsten Mal.

Die Veranstaltungsreihe, ursprünglich für ein geneigtes Publikum aus der Region gedacht, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem über die Landesgrenzen hinaus bekannten Anlass gemausert. Ging es in der Vergangenheit eher darum, als eine Art Einführung in das anarchistische Einmaleins einen Überblick über den Anarchismus in Theorie und Praxis zu bieten, beleuchten die diesjährigen Anarchietage vor allem um diverse Formen des herrschaftsfreien Widerstandes gegen die Pläne des Kapitals mit Ziel klassenloser Gesellschaft.

Die LAW versteht sich als anarchokommunistische Organisation im Sinne der sogenannten Plattform. Diese wurde in den 1920er-Jahren von russischen und ukrainischen AnarchistInnen im französischen Exil verfasst, um die blutige Zerschlagung der ehemals starken libertären Bewegung durch die Bolschewiki aufzuarbeiten. Daraus resultierend wurde die gemeinsame Organisation aller AnarchokommunistInnen gefordert, die durch die Einheit der Ideologie, Taktik und Strategie, aber auch eine stark föderalistische Struktur Geschlossenheit in der stark zersplitterten anarchistischen Bewegung schaffen sollte. Die Mitglieder sollten sich aber nicht nur in der Organisation betätigen, sondern sich auch als AnarchistInnen in lokale Gewerkschaften und, wie es dann in der Nachkriegszeit in Südamerika der Fall war, in soziale Bewegungen einbringen. Das Konzept, so simpel es klingen mag, hatte in den folgenden Jahrzehnten einigen Erfolg, so dass sich noch heute einige der grössten und einflussreichsten anarchistischen Organisationen darauf berufen. Allerdings nicht so im deutschsprachigen Raum.

Die diesjährigen Anarchietage werden dann auch einige Aspekte des plattformistischen Anarchokommunismus streifen, ohne allerdings die Ideologie als Ganzes zum Thema zu machen. Am Freitagabend gibt Holger Marcks mit seinem Referat „Zum Konzept der gesellschaftlichen Veränderung im(Anarcho-)Syndikalismus“ den Auftakt in der Alten Kaserne. Marcks ist Mitglied der FAU Berlin, Redaktionsmitglied der syndikalistischen Zeitschrift „Direkte Aktion“ und Mitherausgeber der Studie „Die grossen Streiks – Episoden aus dem Klassenkampf“. Theoretisch geht es am Samstag weiter mit einem Vortrag von Gerhard Hanloser. Sein Beitrag - „Libertäre und kommunistische Kritik im Vergleich“ - untersucht die Aktualität von linksradikalen Strömungen, welche in der Vergangenheit anarchistische und marxistische Ansätze zu vereinigen suchten. Ein Beispiel einer solchen Synthese ist der Rätekommunismus, der Thema der zweiten Veranstaltung am Samstag sein wird. Quasi als Antithese zum Anarchosyndikalismus gehen die Unabhängigen Rätekommunismus in ihrem Vortag „Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats“ davon aus, dass diese Selbstaufhebung nur jenseits von Gewerkschaften (auch alternativen), aber auch von Ideologien und inszenierten „Klassenkampf-Kampagnen“ verwirklicht werden kann.

Ein kleiner Abstecher nach Südamerika wird am Sonntagmittag gemacht. Am Widerstand von Indigenas in Venezuela versucht die Referentin, Mitarbeiterin der anarchistischen Zeitschrift „El Libertario“ und selbst jahrelang Teil dieser indigenen Gegenwehr, die Verquickung des chavistischen Herrschaftsapparates mit westlichen Multis aufzuzeigen - ein Beispiel dafür, dass auch der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ keine Perspektive zur Überwindung der kapitalistischen Profitlogik bieten kann. Für einen angemessenen Abschluss der diesjährigen Anarchietage sorgt schliesslich Rainer Thomann mit seinem Referat „Arbeiterwiderstand gegen die Pläne des Kapitals“. Als Mitglied der UNIA, aber auch als Anhänger basisgewerkschaftlicher Organisierung unterstützte er das Streikkomitee der Officine von Bellinzona. In seinem Vortrag versucht er mit einem Vergleich der Arbeitskämpfe bei CONTINENTAL im französischen Clairoix (gescheitert) und bei der INNSE in Mailand (erfolgreich) die Möglichkeiten von selbstorganisiertem Widerstand der Belegschaft auszuloten.

 

Alle Informationen zu den Anarchietagen sind zu finden auf www.anarchietage.ch und www.libertaere-aktion.ch .

Lars-Andres Wintersberger