Repression ist Scheisse!

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Das Beispiel des demonstrativen Stadtspaziergangs vom 27.10.2012.

Linksautonome“ in den Schweizer Medien – Das Beispiel des demonstrativen Stadtspaziergangs vom 27.10.2012.

Am letzten Samstag setzten verschiedene Gruppen, Individuen und BewohnerInnen der Stadt Zürich vereint ein Zeichen gegen die fortlaufende Verdrängung und Repression im Kreis 4. Die Polizei griff die Menschenmasse von Beginn weg massiv mit Gummischrot und Tränengas an und verhinderte den geplanten Demonstrationsablauf. Danach folgte das üblich schwache Rauschen im medialen Blätterwald: Die Art der Medienberichterstattung war gewohnt erbärmlich aber zweckdienlich. Alltägliche Praxis. Wir wollen trotzdem unseren Senf dazuzugeben.

Die Berichterstattung:

„In Zürich haben Unbekannte aus der linksautonomen Szene via SMS zu einer unbewilligten Demonstration aufgerufen. Die Polizei hielt den Demonstrationszug mit Gummischrot und Tränengas auf.”

So titelte der mediale Einheitsbrei am Sonntagmorgen. Die Informationen stammten bei jeder Zeitung praktisch ausschliesslich von der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA). Diese wiederum bezog ihre Informationen einzig vom Zürcher Polizeisprecher, welcher natürlich nicht die geringste Ahnung über die wirklichen Ereignisse hatte, da er stets nur im Büro gammelt. Ohnehin ist es seine wichtigste Aufgabe, die „Arbeit“ seiner Grenadiere hochzuloben. Wie immer übernahmen die Medien die Rede der SDA, welche die Polizei als Angegriffene darstellte. So erscheint die willkürliche Schiesserei der Bullen als natürliche und notwendige Selbstverteidigung. Glaubt man der Berichterstattung, wurde der Verkehr ausschliesslich durch die DemonstrantInnen lahmgelegt. Auch suggerieren die Artikel, dass ausser Steinwürfen und Barrikadenbau nichts weiter passiert wäre. Die grösste Lügengeschichte aber ist jene der Überlegenheit der Polizei: Die Artikel zeichnen das Bild einer Polizei, die alles unter Kontrolle hatte. Ein märchenhaftes Trugbild!

Was wir sahen:

Als teilnehmende BeobachterInnen erlebten wir nicht die Medienrealität. Die DemonstrantInnen sahen sich den üblichen militarisierten Riot-Cops gegenübergestellt, welche alles andere als friedlich und deeskalierend sind. So wurde der defensive (sprich „friedliche“) Demonstrationszug noch beim Start sofort mit Gummischrot zusammengeschossen. Nur dem geschickten Handeln der Menge ist es zu verdanken, dass es keine Verletzten gab. Selbstverständlich verteidigten sich die DemonstrantInnen gegen die polizeiliche Agression und versuchten die Demonstration doch noch möglich zu machen. Die Polizei schoss jedoch weiterhin aus allen Rohren, woraufhin sich der Demonstrationszug verstreute. Darauf fand ein langes Katz- und Mausspiel statt. Immer wieder schossen die Polizisten mit Schrot und mit dem Wasserwerfer auf die Menge, weshalb zu Schutzzwecken vielerorts zum Teil brennende Barrikaden errichtet wurden. An der Piazza Cella gab es vor wieder versammelter Menge – die Schroter liessen sich vorerst nicht mehr blicken – eine fulminante Transparent- und Flugblattaktion. Der Abschluss bildete ein wildes Punkkonzert auf offener Strasse in gemütlicher Feuer- und Feierlaune. Allerdings sahen sich die PolizistInnen bemüssigt, die selbstbestimmte Meute erneut anzugreifen. Die Leute waren aber einiges geschickter als die uniformierten Tölpel und so gab es keine Verletzten, keine Verhafteten und die Leute gingen vor allem der eisigen Kälte wegen nach Hause.
Allgemein wirkte das ständige Zusammenschiessen der DemonstrantInnen mehr wie ein Akt der totalen Überforderung oder aber wie eine dilettantische Übung zur Aufstandsbekämpfung. Allerdings vergisst die gute Polizei, dass auch die andere Seite dazulernt!

Das Elend der Medien in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft:

Es ist allgemein bekannt, dass die profitorientierte Presse unter zunehmendem Druck steht und daher immer häufiger auf Agenturmeldungen zurückgreifen muss. Reportagen und Recherchen kosten schlicht mehr als ein schnelles Copy-Paste.
Medien produzieren Berichte, die in ihre spezifische Produktpalette passen. Jede Zeitung hat ihr eigenes Image, für welches sie bezahlt wird. Bezahlt durch Werbeaufträge und LeserInnen. Beide erwarten eine mehr oder weniger konstante Grundhaltung. Ein kritischer Bericht – etwa über einen Polizeieinsatz – mag zwar allgemein als spannend aufgefasst werden, doch sicherlich wird er sich auch allgemein als gewinnhemmend auswirken, denn die reaktionären KapitalgeberInnen bevorzugen ganz andere Nachrichten!

Die Art und Weise, wie Medien über unkontrollierte Demonstrationen und direkte Aktionen berichten, hat sich längst etabliert. Die Berichte folgen einem immergleichen Muster:
Was? „Linksautonome“.
Wie? „Vermummt, unbewilligt, gewaltbereit“.
Der Inhalt? „gegen [hier nur ein Wort einfügen]“
Die Polizei? „reagierte, setzte ein, kontrollierte, verhaftete“
Der Sachschaden? „beläuft sich auf [Zahl irrelevant]“

Als mehrwertgenerierendes Medienereignis lassen sich Demos optimal und mit geringem Aufwand verwerten. Im Internet häufen sich die lukrativen Clicks sprunghaft, wenn es irgendwo Auschreitungen gab. Das Schema der spektakulären Berichterstattung baut derweil auf der behaupteten Unbelehrbarkeit der „extremistischen“ DemonstrantInnen auf. Denn das konstruierte Extreme wirkt gemeinhin anziehend. Angereichert wird das journalistische Geschwafel noch durch ausgewählte Krawallfotos. Dabei scheint die zur Schau gestellte Gewalt allgemein von den „ChaotInnen“ auszugehen. Demgegenüber wird die omnipräsente Polizeigewalt kaum gezeigt und wenn doch, dann nur im Stile des rechtschaffenen Polizisten, der für die nötige Ordnung sorgt.

Die immergleiche mediale Perspektive auf „gewaltbereite Linksautonome“ hat ihre Ursache allerdings nicht nur in der ökonomischen Verwertbarkeit. Gleichwohl sind es auch politische Gründe, die für diese Perspektive sprechen. Der Diskurs über „Linksautonome“, legitimiert brutales Eingreifen und verschärfte Kontrollen und Überwachungsaktionen gegen Unbequeme aller Art, sodass die sogenannten „Freiheiten“ und „Rechte“ der bürgerlichen Demokratie übergangen und kontinuierlich abgebaut werden.

Was tun?

Sozialrevolutionäre Bewegungen müssen sich immer wieder die Frage stellen, wie mit der medialen Situation umgegangen werden soll.
Wie entscheidend sind die bürgerlichen Medienberichte für die revolutionäre Sache? Erschaffen wir unsere Realitäten mittels der Presse oder durch das konkrete Erleben? Sollen wir die Medien schlicht ignorieren? Müssen wir versuchen, sie zu ändern, gar zu unterwandern? Gehört es nicht seit jeher zur Allgemeinbildung, dass die Presse lügt wie gedruckt? Sollten wir nur auf die eigenen Medien setzen? Social Media? Wer liest überhaupt?
Die Wichtigkeit einer umfassenden gesellschaftlichen Kommunikation kann von revolutionären AnarchistInnen nicht bestritten werden. Besonders wenn der Blick nicht nur auf partielle Revolten, sondern auf eine umfassende soziale Revolution gerichtet ist, braucht es eine breite Auseinandersetzung mit der Thematik. Das Wissen und die Debatten sollen allen leicht zugänglich sein und auf breiter Basis dezentral erarbeitet bzw. geführt werden.
Für unsere heutige Praxis bedeutet dies, dass die Positionen und Erfahrungen im Klassenkampf nicht nur im Kleinen ausgetauscht, sondern weit gestreut werden müssen. In diesem Sinne kann es manchmal nützlich sein, gute Communiqués schnell zu verbreiten, sodass wenigstens ein paar Argumente durch den medialen Filter dringt. Ergänzt mit der sogenannten „Gegeninformation“, der medialen Vermittlung von unten durch freie Medien, kann so ein anderer Diskurs geschaffen werden. Doch alles Geschriebene und Gesprochene nützt nichts, wenn es sich nicht real manifestiert. In der massenhaften revolutionären Aktion erlangen wir vielleicht einen klareren Verstand, als durch jede mediale Kommunikation.
So oder so gilt: AGITATE – EDUCATE – ORGANIZE!!!

Winterthur, Anfangs November 2012
 
 
 
 
 
 

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